Die Bedeutung der Vergänglichkeit in der Buddhalehre
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Vergänglichkeit (anicca) ist eines der drei Daseinsmerkmale (ti-lakkhana) in der Buddhalehre. Die beiden anderen sind Leidunterworfenheit (dukkha) und Nicht-Selbst (anattâ). Die Vergänglichkeit des Daseins, aller Phänomene, aller subatomaren Teilchen (kalâpas) ist damit angesprochen. Da wir Menschen die Vergänglichkeit jedoch noch nicht geistig erfahren haben, sind wir davon überzeugt, dass das Vergängliche unvergänglich ist. Der Mensch will ewig jung bleiben; er ist diesem Ideal verhaftet. So leidet er unter dem Älterwerden, den Wechseljahren, der Midlifecrisis, altersbedingten Krankheiten und Schwächen, die jeder von uns kennenlernt. Dieses körperliche Leiden wird umso größer, wenn man sich nicht der Vergänglichkeit des Körpers bewusst geworden ist. "Es ist besser, ihr Bhikkhus, wenn ein ununterrichteter gewöhnlicher Mensch diesen Körper, der aus den vier groben Elementen gebildet ist, als sein Selbst annimmt, nicht aber das Denken. Warum das? Man sieht, ihr Bhikkhus, wie dieser Körper, der aus den vier groben Elementen gebildet ist, ein Jahr, zwei Jahre, ... fünfzig Jahre, wie er ein Jahrhundert besteht, wie er noch länger besteht. Was aber da, ihr Bhikkhus, Denken heißt und Geist und Bewusstsein: dieses andauernd in jedem Moment, Tag und Nacht, entsteht und vergeht." (Samyutta Nikâya XII, 61, 6/7) Auch der Körper eines erleuchteten Menschen, wie der des Buddha, ist dem Verfall unterworfen. Im hohen Alter von 80 Jahren wies er darauf hin, wie dieses "Vehikel" leidet, wie es zerfällt und überall schmerzt. Doch sein Geist litt nicht mehr unter den körperlichen Schmerzen, da er die Vergänglichkeit (anicca) bereits kennengelernt und erfahren hatte. Der Buddha konnte nur mehr lächeln. Zwar unterlag sein Körper noch dem Leiden oder der Unzulänglichkeit (dukkha), doch mit der wirklichkeitsgemäßen geistigen Erfahrung von anicca schwand dieses geistige Leiden (domanassa), und die geistige Freude (somanassa) trat an seine Stelle. Es erfordert große Überwindung, sich die Realität der Vergänglichkeit bewusst zu machen. Wir können die Vergänglichkeit (anicca) das Entstehen und Vergehen, an der Flamme einer Kerze noch sehr gut wahrnehmen. Doch schon eine Glühbirne scheint ewig zu brennen. Ihr Licht scheint nirgends herzukommen, so dass die Illusion entsteht, es sei ja "meine" elektrische Energie, die da brennt und die ich hier verbrauche. Später wundert man sich dann über die hohe Stromrechnung, deren Kosten man bezahlen muss. Dies ist ein Beispiel für die Verblendung, die Illusion (avijjâ), in der wir leben und deren Kosten wir durch Leiden bezahlen müssen. Betrachtet man das fließende Wasser eines Stromes, so besteht kein Zweifel daran, dass es sich in jedem Moment um anderes Wasser handelt. Wie schwer ist es jedoch zu erkennen, dass auch der betrachtende Mensch in jedem Augenblick ein anderer ist! Wechsel, Veränderung, Vergänglichkeit, Entstehen und Vergehen sind ein wesentliches Merkmal aller - organischen, anorganischen, lebendigen und nicht lebendigen - Daseinsgegebenheiten. Auch die hier nieder geschriebenen Überlegungen unterliegen dem Gesetz der Vergänglichkeit. Eine schöne Blume ist "leider" auch keine Ausnahme; sie verblüht und verwelkt. So werden in den buddhistischen Ländern dem Buddha Blumen als Symbol der Vergänglichkeit dargebracht. Anicca haftet auch den schönsten Dingen an. Sind wir diesem Schönen verhaftet, so bringt dessen Vergänglichkeit uns Leiden. Die drei Daseinsmerkmale anicca, dukkha und anattâ sind wohl die wesentlichsten Punkte der Buddhalehre. Der Buddha hat sie vor über 2500 Jahren erkannt und den Weg erklärt, wie sie erkannt werden können. Um anicca zu verstehen, hat er uns den Edlen Achtfachen Pfad gelehrt, der sich in drei Stufen unterteilen lässt, in sîla (Tugendhaftigkeit), samâdhi (Geistessammlung) und paññâ (Weisheit). Im Achtfachen Pfad ist Tugendhaftigkeit grundlegend für den gesammelten Geist, der die Wahrheit von anicca, dukkha und anattâ erkennen kann. Die Tatsache der Vergänglichkeit aller Phänomene besteht unabhängig davon, ob sie der Buddha uns gelehrt hat oder nicht. Die Wirklichkeit so zu sehen, wie sie tatsächlich ist, und nicht wie sie sein könnte oder sein sollte, ist das Ziel jeder wirklichkeitsgemäßen Erkenntnis. Würden wir Altern, Krankheit, Schmerzen, Sorgen und Kummer im täglichen Leben unter dem Aspekt der Vergänglichkeit, Unzulänglichkeit und Substanzlosigkeit erkennen, hätten wir die Ursache vieler Leiden beseitigt und wären dem wahren Glück ein großes Stück näher gekommen. Mögen alle Wesen wirklich glücklich sein!
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